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28.04.2024, 11:04 Uhr

Arbeitsrecht

Freistellungstage trotz Kurzarbeit abgelehnt

  • 13.10.2023
  • Aktuelles, Vertrauensleute, Recht & Rat

Ein Elektrotechniker, der seine 82jährige Mutter pflegt, beantragte die tariflichen Freistellungstage nach dem Manteltarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie. Die abschlägige Antwort des Arbeitgebers: Man könne das durch seine Abwesenheit ausfallende Arbeitsvolumen betrieblich nicht ausgleichen. Da bereits Kurzarbeit eingeführt war, klagte der DGB Rechtsschutz Hagen erfolgreich auf die acht zusätzlichen freien Tage.

Recht so!

Das beklagte Unternehmen stellt Feder- und Spaltbänder aus rostfreiem Edelstahl her. Der Kläger ist im Bereich Instandhaltung als Techniker und Teamlei­ter Elektro eingesetzt. In seiner Abteilung sind neben ihm drei weitere Betriebselektriker beschäftigt.

Es gelten die Tarifverträge für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen.
Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft eines Haus-Anerkennungstarifvertrages die Regelungen der Tarifverträge für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens Anwendung. Nach dem Tarifvertrag Tarifliches Zusatzgeld (TV T-ZUG) können die Beschäftigten unter Verzicht auf einen Teil des Zusatzgeldes Freistellungstage verlangen (§ 25 Manteltarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie NRW).

Der Kläger hat von diesem Anspruch auf Freistellung Gebrauch gemacht und innerhalb der Frist einen Antrag gestellt. Bis Ende Oktober 2022, dem Ende der Antragsfrist, wurden im Betrieb zehn Anträge gestellt. Aus der Abteilung des Klägers stammte noch ein weiterer Antrag, der genehmigt wurde.

Erörterungen mit dem Betriebsrat ohne Einigung
Der Arbeitgeber leitete mit dem Betriebsrat im Dezember 2022 den vorgesehenen Erörterungsprozess ein und führte im Januar 2023 das erste Gespräch. Es kam zu keiner Einigung, woraufhin der Arbeitgeber die Entscheidung über den Umfang der Kompensation allein traf.

Die Antwort an den Kläger lautete:
Leider müssen wir Ihnen heute mitteilen, dass wir diesen Antrag für 2023 nicht genehmigen können. Zwar erfüllen Sie die formalen und persönlichen Voraussetzungen, allerdings kann das durch Ihre Abwesenheit ausfallende Arbeitsvolumen betrieblich nicht ausgeglichen werden.

Kurzarbeit eingeführt von Februar bis Dezember 2023
Bereits ab Dezember 2022 verhandelte das Unternehmen mit dem Betriebsrat über die Einführung von Kurzarbeit. Mitte Januar 2023 wurde eine „Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit" abgeschlossen, mit der Kurzarbeit vom 01.02.2023 bis zum 31.12.2023 eingeführt wurde.

Der Arbeitgeber meldete dann auch direkt zu Februar für alle Produktionsabteilungen einschließlich der Qualitätssicherung Kurzarbeit an. Dabei waren ursprünglich für den ge­samten gewerblichen Bereich rund 40 % Arbeitsausfall geplant. Im Februar 2023 lag dieser aufgrund eines überdurchschnittlich hohen Krankenstandes dann letztlich abteilungsübergreifend bei rund 20 % bis 25 %.

Für den Kläger sind im Februar 2023 drei Arbeitstage, im März drei Arbeitstage und im April ein Arbeitstag aufgrund von Kurzarbeit ausgefallen. Für die übrigen drei Betriebselektriker zusammen sind im Februar 2023 insgesamt vierzehn Arbeitstage aufgrund von Kurzarbeit ausgefallen, im März 2023 insgesamt elf und im April 2023 weitere zwei.

Klage beim Arbeitsgericht Iserlohn auf acht Freistellungstage
Für den Kläger war schon aufgrund der eingeführten Kurzarbeit nicht ersichtlich, warum die beantragten Freistellungstage betriebsintern nicht kompensiert werden könnten. Warum Urlaubszeiten eine Rolle spielen sollten, war ebenso unklar. Denn deren Umfang steht fest und ist in den allgemeinen Personalschlüssel eingestellt. Sollte es an einzelnen Tagen ein Problem geben, würde allein dies den Arbeitgeber nicht berechtigen, den Freistellungsantrag insgesamt abzuweisen.

Das sah auch das Arbeitsgericht Iserlohn so und gab der Klage statt.

Die Anordnung von Kurzarbeit stelle selbstverständlich keine Kompensationsmöglichkeit im Sinne des Tarifvertrages dar. Soweit sei dem beklagten Unternehmen zuzustimmen. Hier folgt das große Aber der Richter:innen: Einer Möglichkeit zur Kompensation bedürfe es erst gar nicht, wenn sicher sei, dass das zu bewältigende Arbeitsvolumen in dem Jahr, in dem die zusätzlichen freien Tage genommen werden sollen, sinke und deutlich unter 100% liege.

Freistellungstage auch ohne Kompensationsmöglichkeit zu realisieren
Stehe also im folgenden Jahr ohnehin weniger Arbeit an, seien die Freistellungstage auch ohne Kompensationsmöglichkeit zu realisieren. Denn jedenfalls im Volumen von acht Arbeitstagen bestehe in dem Fall prognostisch überhaupt kein Arbeitsbedarf.

Im Übrigen sehe das Instrument der Kurzarbeit gerade vor, Freistellungsmöglichkeiten etwa über den Abbau von Gutstunden auszuschöpfen.

Sollten einzelne, konkrete Tage aus betrieblichen Gründen schwer zu realisieren sein, sehe der Tarifvertrag eine Abwägung mit den Wünschen der Arbeitnehmer:innen vor. Die Schwierigkeit, einzelne Tage zu realisieren, gebe dem Arbeitgeber aber nicht das Recht den Freistellungsanspruch insgesamt abzulehnen.

Funktion als Teamleiter steht nicht entgegen
Das beklagte Unternehmen hatte auch angeführt, der Kläger sei als Teamleiter nicht zu ersetzen. Damit könne sie nicht gehört werden, so das Arbeitsgericht. Auch während Urlaubs- und Krankheitszeiten sei es gelungen, die Arbeitskraft des Klägers zu ersetzen. Anhaltspunkte dafür, warum eine Ersatzmöglichkeit nicht auch für acht weitere Tage im Jahr bestehe, gebe es nicht.


Das zu Grunde liegende Urteil: Arbeitsgericht Iserlohn, Urteil vom 17. August 2023 - 5 Ca 254/23

Download am 13. Oktober 2023 von der Hompage der DGB Rechtsschutz GmbH


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