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19.04.2024, 19:04 Uhr

Arbeitsrecht

Nachgewährung des Urlaubs bei Quarantäneanordnung

  • 24.07.2022
  • Aktuelles, Recht & Rat

Ist Urlaub nachzugewähren, wenn für die Urlaubszeit eine Quarantäneanordnung ergangen ist? Nahezu einhellig haben die Arbeitsgerichte bisher diese Frage verneint. Das Hagener Büro der DGB Rechtsschutz GmbH hat jetzt erstmals vor einem Landesarbeitsgericht ein erfolgreiches Urteil erstritten.

Recht so!

Jeder Beschäftigte weiß: Wenn ich in meinem Urlaub arbeitsunfähig erkranke und dies dem Arbeitgeber nachweise, bekomme ich den „ausgefallenen“ Urlaub nachgewährt. Unverständlich ist es deshalb, dass nahezu sämtliche Arbeits- und Landesarbeitsgerichte bisher von einer Erfüllung des Urlaubsanspruchs ohne „Nachholmöglichkeit“ ausgingen, wenn in der Urlaubszeit eine Quarantäne verhängt wurde.
 
Gesetzliche Regelung bei Erkrankung
Grund für diese unterschiedliche Behandlung: Für den Krankheitsfall regelt § 9 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) ausdrücklich, dass die Tage nachgewiesener Erkrankung nicht auf den Urlaub angerechnet werden. Für den Quarantänefall fehlt eine entsprechende Regelung. Und die wurde vom Gesetzgeber auch dann nicht erlassen, als sich in der Coronapandemie Quarantänefälle häuften.

Aus diesem Grund haben die meisten Gerichte auch eine analoge, also entsprechende Anwendung des § 9 BUrlG auf den Quarantänefall abgelehnt.

LAG Hamm rechnet Quarantäne nicht an
Dies sieht jetzt das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm in einem vom Hagener Büro der DGB Rechtsschutz GmbH erstrittenen Urteil als erstes Berufungsgericht anders:

Zeiten der Quarantäne sind analog § 9 BurlG nicht auf den Jahresurlaub anzurechnen. Der Urlaub gilt insoweit nicht als erfüllt. Betroffene können verlangen, dass diese Tage dem Urlaubskonto wieder gutzuschreiben sind.
 
Analoge Anwendung des § 9 BUrlG bei Quarantäne
Entgegen der Ansicht anderer Gerichte wendet das LAG Hamm § 9 BUrlG analog auf den Quarantänefall an, da es insoweit von einer planwidrigen, also vom Gesetzgeber ungewollten Regelungslücke ausgeht. Insbesondere im Lichte der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zur „Urlaubsrichtlinie“ sei eine analoge Anwendung möglich. Der Quarantänefall sei durchaus vergleichbar mit dem Fall des im Urlaub arbeitsunfähigen Arbeitnehmers.

Auch wenn der Arbeitgeber lediglich die Urlaubsgewährung, nicht jedoch den Urlaubserfolg schulde, stehe eine verhängte Quarantäne einer selbst bestimmten Gestaltung der Urlaubszeit entgegen, so das Hammer Gericht zurecht weiter in der Begründung.
 
Gutschrift auf dem Urlaubskonto
Das Gericht verurteilte den Arbeitgeber, die acht Urlaubstage, die in die Quarantänezeit fielen, dem Urlaubskonto des Beschäftigten wieder gutzuschreiben.
 
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache sowie der Abweichung von anderen Berufungsurteilen hat das LAG Hamm die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.
 

Download: LAG Hamm, Urteil vom 27. Januar 2022 - 5 Sa 1030/21 (Volltext).

Quelle: DGB Rechtsschutz GmbH, www.dgbrechtsschutz.de, online seit 04.02.2022


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