IG Metall Alfeld-Hameln-Hildesheim
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22.05.2025, 04:05 Uhr

Verhandlung statt Eskalation gefordert – Hildesheimer Bosch-Werk braucht Perspektive, keine Ultimaten

  • 07.05.2025
  • Aktuelles

Angesichts der anhaltenden Unsicherheit um die Zukunft des Bosch-Werks Hildesheim (HiP) fordern die IG Metall und der Gesamtbetriebsrat Mobility eine sofortige Rückkehr zu einem sachlichen, konstruktiven Gesprächsprozess. Statt auf Druck und einseitige Ultimaten zu setzen, müsse die Unternehmensleitung endlich die wirtschaftlich tragfähigen und sozial ausgewogenen Vorschläge der Arbeitnehmervertretung ernsthaft prüfen. Die IG Metall kritisiert insbesondere das Vorgehen der Geschäftsführung, das den Eindruck erwecke, eine Werksschließung sei nur noch eine Frage der Zeit.

IG Metall: Eine solidarische Gemeinschaft.

Aktion am Rande der Pressekonferenz vor der Betriebsversammlung. Fotos: Privat.

In Hildesheim ist seit Jahrzehnten ein wichtiges Bosch-Werk (HiP) mit hoher technischer Kompetenz in der Fertigung von Komponenten für elektrische Antriebe. Derzeit sind rund 1.240 Beschäftigte am Standort tätig – viele von ihnen hochspezialisiert, mit Erfahrungen in Serienproduktion, Produkt- und Prozessentwicklung sowie Qualitätssicherung. Das Werk ist eingebunden in das Fertigungsnetzwerk des Bosch-Bereichs „Electrified Motion“, dem ein zentraler Stellenwert in der E-Mobilitätsstrategie des Konzerns zukommt.

Und doch droht ein dramatischer Einschnitt: Nach derzeitigen Plänen sollen bis zu 750 Stellen abgebaut werden – 300 davon bereits bis Ende 2025, weitere 420 bis Ende 2027. In einer Mitarbeiterinformation wird sogar offen eine vollständige Stilllegung des Standorts ins Spiel gebracht, sollte der Betriebsrat nicht binnen weniger Tage seine Zustimmung zu den vom Arbeitgeber vorgelegten Plänen geben.

Die IG Metall und die Bosch-Arbeitnehmervertretung bewerten dieses Vorgehen als wirtschaftlich kurzsichtig und sozial riskant. Das Werk ist keineswegs überholt – es steht exemplarisch für industrielle Kompetenz in der Transformation. Die Herausforderungen sind real: Auslaufende Projekte, Auftragseinbrüche, steigender Preisdruck. Aber diese Faktoren rechtfertigen keine Politik der verbrannten Erde, sondern erfordern verantwortungsvolle Unternehmensführung.

Aus Sicht der IG Metall ist es kein Zeichen von Führung, einseitig ein Eckpunktepapier vorzulegen, das massive Personalkürzungen enthält, aber keinerlei verbindliche Zusagen zur Beschäftigungssicherung, zu Investitionen oder zur künftigen Rolle des Werks trifft.

„Was hier vorliegt, ist kein Zukunftsplan, sondern ein Entsorgungsdokument in mehreren Schritten“, erklärt Karoline Kleinschmidt, die Erste Bevollmächtigte der IG Metall Alfeld-Hameln-Hildesheim. „Man kündigt den Beschäftigten einen schrittweisen Abbau an – ohne klar zu sagen, was danach bleibt. Ohne ein Bekenntnis zum Werk, ohne Produktstrategie, ohne Investitionszusage. So lässt sich kein Vertrauen aufbauen, weder bei der Belegschaft noch in der Region.“

Dass es auch anders geht, zeigt das Eckpunktepapier der Arbeitnehmervertretung. Der Betriebsrat des Werkes Hildesheim, mit Unterstützung des Gesamtbetriebsrats, hat bereits am 11. April ein eigenes Konzept vorgelegt. Es basiert auf einem sozialverträglichen Personalabbau, Vorschlägen zur Kostenreduktion und der Forderung, Hildesheim verbindlich in die Bosch-E-Mobilitätsstrategie einzubinden.

Das Papier sieht den Abbau von 300 Stammarbeitsplätzen sowie den Auslauf befristeter Beschäftigungsverhältnisse vor – zusammen über 400 Personalkapazitäten. Zusätzlich sind Arbeitszeitmodelle, interne Flexibilisierung und Kostensenkungseffekte integriert. Auch ein klarer Zeitrahmen für die Entwicklung eines Zukunftskonzepts bis zum 30. Juni wurde angeboten.

„Was wir vorgelegt haben, ist keine Wunschliste, sondern ein belastbares Konzept“, sagt Stefan Störmer, Betriebsratsvorsitzender HiP und stellvertretender Gesamtbetriebsratsvorsitzender. „Wir haben die Wirtschaftsdaten berücksichtigt, die Marktverläufe analysiert und Maßnahmen angeboten, die dem Unternehmen konkret helfen – ohne das Werk zu entwerten. Dass diese Vorschläge ignoriert und stattdessen mit der Schließung des Werkes gedroht wird, ist ein Schlag ins Gesicht. Dadurch kommt es zu einer vermeidbaren Zuspitzung. Wir sind bereit, falls notwendig, den Kampf um die Zukunft unseres Werkes zu führen.“

Die IG Metall teilt diese Kritik.

Statt Gespräche auf Augenhöhe zu führen, wird die Belegschaft mit einem Ultimatum konfrontiert. Das angebotene Papier der Unternehmensleitung ist in wesentlichen Punkten unverbindlich – sowohl in Bezug auf Beschäftigungssicherung als auch auf Investitionen. Gleichzeitig ist es offen für einen vollständigen Rückzug aus dem Standort nach 2027.

„Wer ernsthaft an Lösungen interessiert ist, gibt keine Ultimaten, sondern führt Gespräche auf Augenhöhe“, sagt Frank Sell, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats des Unternehmensbereichs Mobility Solutions der Bosch-Gruppe: „Das HiP ist kein Auslaufmodell. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten seit Jahren wichtige Arbeit in Zukunftsbereichen – jetzt ist die Zeit, dies auch zu sichern. Wir fordern die Arbeitgeberseite auf, zu einer fairen Sozialpartnerschaft zurückzukehren. Der Betriebsrat liefert belastbare Konzepte. Wir sind keine Tagträumer, sondern sind uns bewusst, dass die Zeiten nicht einfach sind.“

Auch die Landespolitik hat sich inzwischen deutlich positioniert.

Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies sagte vergangene Woche: „Eine Basta-Politik ist jetzt hier nicht angezeigt!“ Damit forderte der designierte Ministerpräsident die Bosch-Geschäftsführung auf, die Vorschläge der Arbeitnehmervertretung ernsthaft zu prüfen. Er kündigte an, notfalls selbst die Sozialpartner an einen Tisch zu holen.

Die IG Metall begrüßt dieses Signal und verweist darauf, dass die Unterschiede zwischen beiden Eckpunkten überbrückbar seien – ein Verhandlungsspielraum von rund 100 bis 200 Stellen sei lösbar, wenn der politische Wille vorhanden sei. Ebenso stehen wichtige Fragen wie die konkrete Einbindung in künftige Bosch-E-Projekte oder die Definition betrieblicher „Wettbewerbsfähigkeit“ noch aus – auch hier sei eine Einigung durch Klarstellung möglich.

Die IG Metall und der Bosch-Betriebsrat des Hildesheimer Werkes (HiP) fordern:

  • Verbindliche Rückkehr an den Verhandlungstisch, ohne Vorbedingungen und mit ernsthafter Prüfung des alternativen Konzepts
  • Zusage zur Fortführung des Werks mit konkreter Einbindung in das Bosch-E-Produktionsnetzwerk
  • Sicherung des sozialen Friedens durch faire Kommunikation und respektvollen Umgang mit der Belegschaft
  • Klares Bekenntnis zur Sozialpartnerschaft und zum Schutz industrieller Substanz in Niedersachsen


„Es wäre nicht vermittelbar, ein derart engagiertes Werk aufzugeben, obwohl Lösungen vorliegen“, betont Karoline Kleinschmidt von der IG Metall. „Bosch hat alle Voraussetzungen, die Transformation mit sozialem Ausgleich zu verbinden. Aber das geht nur mit gegenseitigem Respekt – nicht mit Ultimaten. Jetzt ist der Moment, in dem die Geschäftsführung zeigen kann, was ihr der soziale Frieden wert ist.“

Die IG Metall kündigt an, den weiteren Prozess eng zu begleiten – mit rechtlicher, politischer und öffentlicher Unterstützung. Die Beschäftigten in Hildesheim werden nicht allein gelassen. Sollte es zu keiner Verständigung kommen, sind auch betriebliche und gewerkschaftliche Maßnahmen nicht ausgeschlossen. Noch ist Zeit, gemeinsam eine Lösung zu finden – aber sie läuft ab.


Quelle: Gemeinsame Presseerklärung der IG Metall Niedersachsen und Sachsen-Anhalt und Hildesheimer Bosch-Betriebsrats (HiP) vom 7. Mai 2025. 


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