IG Metall Alfeld-Hameln-Hildesheim
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28.03.2024, 13:03 Uhr

Betriebliche Gewerkschaftspolitik

Harte Verhandlungen bei KSM Castings

  • 14.01.2021
  • Aktuelles, Betriebe / Branchen, Vertrauensleute

Beschäftigungssicherung bei KSM Castings: Beim Autozulieferer mit vier bundesdeutschen Standorten wollten die chinesischen Eigentümer die Pandemie nutzen, um Massenentlassungen und Entgeltkürzungen durchzusetzen. Heraus kam ein Standort- und Beschäftigungssicherungstarifvertrag, der die Einschnitte minimiert, Investitionen zusagt und bis Ende 2025 auf betriebsbedingte Kündigungen verzichtet. Zudem wurde eine Transfergesellschaft durchgesetzt.

Mehrarbeit verweigert: Sven David, Mathias Neumann und Manuel Duarte (v.l.). Foto: Annette Vogelsang.

Schon die Ausgangslage war hart: Der chinesische Eigentümerkonzern Citic Dicastal wollte 379 der 1800 Beschäftigten an den vier Standorten Hildesheim, Wernigerode, Wuppertal und Radevormwald entlassen, davon allein 277 in Hildesheim. Die Einkommen sollten bis zu 35 Prozent abgesenkt werden.
 
Dafür, so argumentierten die Anwälte der Kanzlei Görg und die Beraterfirma Ernst & Young (EY), könnte das Unternehmen zukunftssicher gemacht und das eingesparte Geld für anstehende Investitionen genutzt werden. EY war zuletzt durch die unrühmliche Rolle bei der Betrugsfirma Wirecard aufgefallen.

"Weil Massenentlassungen zu teuer waren, beantragte KSM am 2. Juli die Insolvenz in Eigenverwaltung, um einen Sanierungsplan erarbeiten zu können", vermutete Mathias Neumann, Zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Alfeld-Hameln-Hildesheim.

Als darauf die IG Metall mit ihren Mitgliedern in allen vier Werken diesen Horrorkatalog diskutierte und mit den Betriebsräten die Mitbestimmungsrechte einforderte, begann ein Verhandlungsmarathon, der sich auf zehn Runden erstreckte und teilweise morgens um vier Uhr endete. "Wir hatten es mit den Vorständen, der Unternehmensberatung und einer großen Anwaltskanzlei zu tun und haben insgesamt 140 Stunden lang gerungen", sagte Norbert Kuck, der Verhandlungsführer der IG Metall. Zeitversetzt um acht Stunden mussten die Chefs 8000 Kilometer weiter jeden Punkt abnicken.

Der Widerstand der Beschäftigten startete mit einer Großdemo in Hildesheim und setzte sich beinahe täglich fort – mit Unterstützung durch die Politik. "Wir haben 100 Fragen zum Konzept von Ernst & Young formuliert und konsequent Mehrarbeit verweigert", sagte Sven David, Vertrauenskörperleiter in Hildesheim. Gesamtbetriebratsvorsitzender Manuel Duarte: "Der geplante Stellenabbau hätte die Existenz des Hildesheimer Werkes gefährdet."

Trotz der Drohkulisse vor Augen und dem ständigen Ausspielen der Standorte erörterten die IG Metall-Beauftragten jedes Detail und legten ständig Alternativvorschläge vor. Heraus kam Ende November ein Ergebnis, das den Kahlschlag erheblich abmildert –  für jedes Werk leicht modifiziert. Norbert Kuck: "Gerade bei Großkonzernen sind die Solidarität aller Standorte und der hohe Organisationsgrad enorm wichtig."

Die Einschnitte sind trotzdem hart: Insgesamt werden jetzt 328 Arbeitsplätze gestrichen, 135 in Hildesheim. In einer Transfergesellschaft werden die Betroffenen an allen Standorten aufgefangen. 114 sind es in Hildesheim, 6 in Wernigerode. Sie erhalten zwischen 78 und 90 Prozent des letzten Bruttos und eine Abfindung, die sich nach der Betriebszugehörigkeit staffelt. Mathias Neumann: "Geld vom Arbeitgeber für eine Transfergesellschaft ist bei dieser Art der Insolvenz eigentlich nicht vorgesehen." 

In Hildesheim gab es Einschnitte beim Entgelt sowie bei den Einmalzahlungen. Sven David: "Durch die Einführung des Leistungslohns mit einer Prämienregelung können wir den Verzicht teilweise wieder auffangen." In Wernigerode fallen die Verluste deutlich geringer aus, aber durch die 38-Stunden-Woche spart KSM gegenüber Hildesheim 8,9 Prozent allein beim Entgelt ein.

Dafür wird KSM bis Ende 2025 auf betriebsbedingte Kündigungen verzichten und 95,1 Millionen Euro investieren, davon 59,1 Euro in Hildesheim und vor allem in Produkte für Elektroautos. Im Lenkungskreis, der paritätisch besetzt ist, werden die Umsetzung und die Investitionen überwacht.

 

Stimmen aus der Verhandlungskommission

Das waren mit die härtesten Verhandlungen, die ich bisher erlebt habe. Norbert Kuck, Tarifsekretär der Bezirksleitung, Verhandlungsführer der IG Metall bei KSM Castings.

Der sehr hohe Organisationsgrad bei KSM hat uns bei den Verhandlungen sehr geholfen. Janek Tomaschefski, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Halberstadt.

 

Quelle: metallzeitung, Ausgabe Januar 2021.


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